identität

Oftmals werden wir gefragt, ob es legal ist, anonym eine Strafanzeige zu erstatten und wenn ja, was dabei beachtet werden muss:

Warum sind anonyme Strafanzeigen problematisch?
Sicherlich ist verständlich, dass anonyme Strafanzeigen prinzipiell problematisch sind, können sie doch nur allzu leicht Mittel zur für wenig hehre Motive wie Vergeltung, Hass, persönliche Bereicherung oder Ablenkung von eigenem Fehlverhalten werden. Ohne jeden Zweifel haben anonyme Strafanzeigen daher zumindest einen bitteren Beigeschmack und es gibt keinen Grund, warum anonyme Anzeigen gefördert werden sollten.

Gibt es positive Aspekte?
Natürlich spielt auch eine Rolle, dass oftmals Polizei und Staatsanwaltschaft Informationen über Straftaten von Personen bekommen können, die anonym bleiben möchten, da sie andernfalls Repressalien durch die angezeigte Person fürchten, eine Sorge, die sicherlich in einigen Fällen mehr als berechtigt ist.

Welche Position nimmt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in diesem Zusammenhang ein?
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Legalität dieser anonymen Strafanzeigen bestätigt jedoch nur dann, wenn die darin enthaltenen Informationen als Ermittlungsansatz und nicht in die Beweisaufnahme einfliessen. (Urteil Kostovski vom 20. November 1989 und Urteil Windisch vom 27. September 1990)

Was sagt die Staatsanwaltschaft?
In der Weisung 3/1993 vom 16. März lässt die Generalstaatsanwaltschaft die anonymen Strafanzeigen zu, wenngleich sie jedoch im Umgang mit dieser zur Besonnenheit aufruft. (Die Ermittlungen im Fall des ehemaligen Präsidenten Jaume Matas begannen aufgrund einer anonymen Anzeige bei der Staatsanwaltschaft.)

Was sagt der Oberste Gerichtshof?
In einem Urteil vom 11. April 2013 wird die Zulässigkeit von anonymen Anzeigen bestätigt, auch wenn die Strafprozessordnung eigentlich die Identifizierung der Anzeige erstattenden Person vorschreibt. (Artikel 266 und 267). Nichts desto trotz wird auch von dieser Seite darauf hingewiesen, dass der Umgang mit derartigen Anzeigen mit höchster Vorsicht zu erfolgen hat.
„… Wir gehen davon aus folgen damit der mehrheitlich vertretenen Meinung der Lehrdoktrin, dass die Anonymität mit der eine Strafanzeige erstattet wird nicht automatisch und unabänderlich zur Nichtverfolgung der darin zur Anzeige gebrachten Straftat führen darf. Stattdessen muss diese anonyme Strafanzeige mit äusserster Vorsicht uns Skepsis behandelt werden. Da die anonyme Strafanzeige in der Strafprozessordnung nicht ausdrücklich ausgeschlossen wird, kann sie auch nicht von vorn herein als nichtig gelten. Daher muss der Richter mit äusserster Sorgfalt entscheiden, ob diese zulässig ist oder abgewiesen werden muss. Sollte sich herausstellen, dass diese glaubwürdig zu sein scheint, so muss der Inhalt mit allen zur Verfügung stehenden Mittels aufs Genaueste überprüft werden. Sollte sich dann die Glaubwürdigkeit bewahrheiten, so kann er natürlich selbstverständlich ohne weiteres und ohne die Teilnahme der anzeigenden Partei die Straftat von Amts wegen verfolgen.“ (sinngemässe Wiedergabe)

Schlussfolgerung
Die anonyme Strafanzeige ist legal, allerdings sollten Strafverfolgungsbehörden wie Polizei, Richter und Gerichte sowie die Staatsanwaltschaft den angezeigten Straftatbestand mit absoluter Sorgfalt untersuchen.