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Die Europäische Union hat neue soziale Realitäten geschaffen. Es wird angenommen, dass bis zu 12 Millionen EU Bürger in Mitgliedsstaaten leben, die nicht ihr Herkunftsland sind.

Die Freizügigkeit von Personen und Kapital, einem der Grundpfeiler der Europäischen Union, hat seit ihrem bestehen einen enormen Migrationsstrom ausgelöst. Auf den Balearen allein sollen nach offiziellen Informationen ca. 45.000 Deutsche und 30.000 Briten leben.

Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass jährlich ca. 450.000 Familien europaweit mit einer grenzüberschreitenden Erbschaft konfrontiert sind und zwar verbunden mit all den juristischen und praktischen Problemen (Erbmasse in unterschiedlichen EU- Mitgliedsstaaten, Feststellung des anzuwendenden Rechts etc.) welche dies mit sich bringt.

Verordnung 650 / 2012

Um diese unzähligen und unüberwindbar scheinenden Schwierigkeiten bei internationalen Erbschaften aus der Welt zu schaffen, hat man die Verordnung 650 / 2012 verabschiedet, welche am 17. August 2015 in Kraft treten wird (die Verordnungen der Europäischen Union treten direkt und generell für alle Mitgliedsstaaten in Kraft, ohne dass es weiterer rechtlicher Schritte zu deren Anwendung bedarf).

Ziel dieser genannten Verordnung ist es, einen Raum zu schaffen und zu bewahren, der geprägt ist durch Rechtssicherheit und innerhalb dem die Freizügigkeit von Personen und Kapital gesichert ist. Diese Freizügigkeit ist, wie bereits erwähnt, einer der Grundpfeiler der EU und ein Garant für das einwandfreie Funktionieren des Binnenmarktes.

Die Verordnung wird für die Bürger der Europäischen Union von grosser Tragweite sein, da durch sie das anzuwendende Recht, der zuständige Gerichtsstand, die Vollstreckbarkeit von Titeln, die Gültigkeit von nationalen Dokumenten auf internationaler Ebene sowie die Einführung eines europaweit gültigen Erbscheins geregelt wird.

Ausdrücklich hinweisen wollen wir jedoch darauf, dass diese Verordnung die Besteuerung von internationalen Erbschaften, verwaltungsrechtliche Fragen sowie die zollrechtlichen Bestimmungen nicht behandelt.

Die bedeutendsten durch die Verordnung 650/ 2012 entstandenen Neuheiten sind die Folgenden:

1. Anzuwendendes Recht

Ohne Zweifel ist dieser Punk der für die Bürger bedeutendste:

i) Das zur Anwendung kommende Recht ist dasjenige des Mitgliedsstaates, in dem der Erblasser seinen ständigen Wohnsitz im Moment seines Todes hatte.
ii) Das Recht des Mitgliedsstaates des ständigen Wohnsitzes vor dem Tod des Erblassers kommt nur dann nicht zur Anwendung, wenn dieser vor seinem Tod bestimmt hat, dass das Rechts des Mitgliedstaates anzuwenden ist, dessen Nationalität der Erblasser bei seinem Tod hat.

Die oben beschriebene Feststellung des anzuwendenden Rechts hat allergrösste Bedeutung und kann für viele im Ausland lebende EU-Bürger weit reichende Konsequenzen haben.

Die oben genannte Verordnung tritt am 17. August 2015 in Kraft. Nichts desto trotz und gemäss der Übergangsregelungen können entsprechende Verfügungen über das anzuwendende Recht im Falle einer Erbschaft bereit vor Inkrafttreten der Verordnung gemacht werden, Voraussetzung dazu ist, dass diese immer in Übereinstimmung mit den Vorgaben der Verordnung übereinstimmen.

Daher kann es in bestimmten Fällen durchaus ratsam sein, diese Verfügung vor dem 17. August 2015 zu machen, um vor unangenehmen Überraschungen gefeit zu sein.

2. Gerichtsstand

Als geltender Gerichtsstand wird dasjenige Land festgelegt, in dem sich der ständige Wohnsitz des Erblassers bei dessen Tod befindet.

Nichts desto trotz kann festgelegt werden, dass die Gerichte desjenigen Landes zuständig sind, dessen Nationalität der Erblasser bei seinem Tod hatte und dessen Gesetze ebenfalls als die zur Abwicklung der Erbschaft gültigen bestimmt wurden.

3. Gegenseitige Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung von Titeln

Entscheidungen und Beschlüsse einer der Mitgliedsstaaten sind in allen anderen Mitgliedsstaaten ohne jedwedes anderes Legalisierungsverfahren gültig.

Alle in einem Mitgliedsstaat ausgestellten Dokumente haben ebenfalls in allen anderen Mitgliedsstaaten dieselbe Gültigkeit und Beweiskraft wie in dem Staat, in dem sie ausgestellt werden.

Daher sind auch hier keinerlei andere Legalisierungsverfahren notwendig.

4. Europäischer Erbschein

Ohne Zweifel eine wichtige Neuerung und bedeutende Vereinfachung. Dieser europäische Erbschein wird in allen Mitgliedsstaaten gültig der Europäischen Union die Erben, deren Anteil an der Erbmasse und die genauen auf sie zufallenden Güter und Rechte derselben ausweisen.

Der europäische Erbschein wird ausserdem ein gültiger Titel sein, um die sich durch die Erbschaft ergebenen Änderungen in den Eigentumsverhältnissen in den entsprechenden Registern der verschiedenen Länder eintragen zu können.

Zusammengefasst kann man sicherlich sagen, dass trotz der grossen juristischen Komplexität diese neue Verordnung von weit reichender praktischer Bedeutung ist und einen weiteren Meilenstein zum Zusammenwachsen der EU bedeutet.