Das vom Europäischen Gerichtshof am 03.09.2014 gefällte Urteil (AZ: C-127/12) ist aus verschiedenen Gründen von herausragender Bedeutung.

  • Es stellt die Diskriminierung von Nicht-Residenten bei der Besteuerung von Erbschaften und Schenkungen in Spanien fest und erklärt diese als nicht konform mit geltendem europäischen Recht. Bisher hatten Nicht-Residenten wesentlich höhere Steuersätze zu zahlen als Residenten.
  • es hat aller Voraussicht nach auch Auswirkungen auf Erbschaften und Schenkungen mit Beteiligung von Ländern ausserhalb der EU/ des EWR
  • es zwingt Spanien zur Modifizierung der entsprechenden Gesetzgebung um die Ungleichbehandlung in Zukunft zu vermeiden
  • es ermöglicht denjenigen, die bereits die hohen Steuersätze gezahlt haben, eine Rückerstattung zu beantragen

Das Urteil ist der Schlusspunkt unter ein bereits mehrere Jahre andauerndes Verfahren initiiert durch die Europäische Kommission, welche Spanien mehrmals darauf hingewiesen hat, dass die bis dato gültige Erbschafts- und Schenkungssteuerregelung gegen europäisches Gesetz verstösst, da es die im EU- Vertrag festgeschriebene Freizügigkeit von Personen und Kapital behindert.

  • Worin besteht bis dato die Diskriminierung?

Bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer handelt es sich grundsätzlich um eine staatlich erhobene Steuer. Erbschaften und Schenkungen zwischen direkten Verwandten werden gemäss einer progressiven Skala zwischen 7.65 und 34% besteuert.

Spanien hat jedoch die Kompetenzen der Besteuerung von Erbschaften und Schenkungen zwischen Steuerresidenten an die verschiedenen Autonomen Regionen abgegeben, diese wiederum hatten einen grossen Spielraum, die entsprechenden Verordnungen nach eigenem Ermessen zu gestalten. Die meisten Autonomen Regionen haben diesen Spielraum genutzt und ihren jeweiligen Residenten erhebliche Steuererleichterungen gewährt.

Auf den Balearen z.B. werden Erbschaften zwischen direkten Verwandten mit max. 1% und Schenkungen mit 7% versteuert.

Das Problem jedoch beginnt, wenn der Erbe, der Erblasser oder der Beschenkte ein Nicht-Resident ist oder sich die zu verschenkende Immobilie im Ausland befindet.

In diesem Fall handelt es sich um eine Erbschaft oder Schenkung, die nicht in den Zuständigkeitsbereich einer Autonomen Region fällt sondern von staatlicher Seite abgewickelt wird. In diesem Fall kommen dann die o.g. wesentlich höheren Steuersätze zur Anwendung.

Denkbar sind demnach folgende Szenarien:

  • Ein auf den Balearen residenter Erblasser vererbt seine sich in Spanien befindlichen Güter im Wert von 1 Mio € zu gleichen Teilen an seine beiden Kinder. Eines davon ist Resident in Spanien und zahlt gemäss den Besteuerungsregeln der Balearen 1%, d.h. 5.000 € an Erbschaftssteuer. Der zweite Erbe ist Steuerresident in Deutschland und zahlt gemäss der stattlichen mit den o.g. progressiven Steuersätzen 106.000 € (ca. 21%).
  • Ein in Deutschland steuerresidenter Erblasser vererbt seine sich in Deutschland befindlichen Güter in Höhe von 500.000 € an sein auf den Balearen ansässiges Kind. Dieses Kind kommt, obwohl es auf den Balearen lebt, nicht in den Genuss des reduzierten Steuersatzes von 1% sondern wird nach staatlicher Regelung mit 21% besteuert.
  • Ein in Gross- Britannien steuerresidenter Erblasser vererbt seine sich auf den Balearen befindliche Immobilien mit einem Wert von 500.000 € an seinen Ehepartner oder an sein Kind, ebenfalls Nicht – Residenten in Spanien. Auch in diesem Fall schlägt die Erbschaft mit 21% (106.000 €) zu Buche gemäss der staatlichen Besteuerungsregeln.
  • Ein in Deutschland steuerlich ansässiger Vater schenkt seinem ebenfalls in Deutschland lebenden Ehepartner oder Kind eine sich auf den Balearen befindliche Immobilie mit einem Wert von 500.000 €. Auch hier kommt die staatliche spanische Besteuerungsregelung zum tragen, das bedeutet, es wären 21% (106.000 €) zu zahlen.

Der EuGH erkennt in diesem Zusammenhang, dass bei Schenkungen oder Erbschaften mit Beteiligung eines Nicht-Residenten eine höhere Steuerlast zu tragen ist, da hier die wesentlich günstigeren Steuersätze der Autonomen Regionen nicht zum Tragen kommen. Dies wiederum schmälert den Wert der Erbschaft oder Schenkung.

Daher urteilt der EuGH, dass die staatlichen Besteuerungsregelungen von Erbschaften und Schenkungen nicht konform sind mit geltendem EU-Recht, da die ungleiche Besteuerung eine Beschränkung der Freizügigkeit von Personen und Gütern bedeutet. Eine derartige Beschränkung jedoch ist gemäss Artikel 63 des Vertrages über die Arbeitsweise der EU sowie Artikel 40 des EU/ EWR- Vertrages (eingeschlossen darin sind Island, Norwegen und Lichtenstein) verboten.

 

  • Hat das Urteil Einfluss auf Erbschaften und Schenkungen mit Ländern ausserhalb der EU

Prinzipiell ist davon auszugehen, dass das Urteil auch Auswirkungen auf diejenigen Erbschaften und Schenkungen hat, an denen neben Spanien auch andere, nicht in der EU befindliche Staaten beteiligt sind und in denen entweder Erbe, Erblasser oder Beschenkter steuerlich resident sind oder in denen sich die zu übertragenden Güter befinden. Die im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union festgehaltene Freizügigkeit von Personen und Kapital ist einer der wichtigsten Grundpfeiler der EU und verbietet gleichermassen die Beschränkung oder Erschwerung dieser Freizügigkeit innerhalb der Mitgliedsstaaten aber auch zwischen den Ländern der EU und Drittstaaten.

Die Rechtssprechung der EU interpretiert Schenkungen und Erbschaften als Kapitalverkehr in diesem Sinne und kommt somit zu dem Schluss, dass jedwede Verhinderung oder Beschränkung nicht konform mit EU- Recht und somit zu verurteilen ist.

In gleicher Linie wie das Urteil gegen Spanien ist auch das vom EuGH am 17.10.2013 gegen Deutschland gefällte Urteil zu verstehen (AZ: C-181/12). Man kam darin zu dem Schluss, dass Deutschland ebenfalls gegen EU-Recht verstösst, da eine Erbschaft einer sich in Deutschland befindlichen Immobilie höher besteuert wird, wenn Erblasser und Erbe in einem Drittland (in einem konkreten Fall in der Schweiz) steuerlich ansässig sind.

Im Urteil vom 03.09.2014 hält der EuGH ausserdem fest, dass die Ungleichbehandlung von Residenten und Nicht-Residenten ebenfalls nicht gerechtfertigt werden durch die simple Tatsache, dass zwischen einem EU-Land und einem Drittland keine Übereinkommen über Informationsaustausch und Amtshilfe besteht.

Sicherlich wird Spanien die Anwendung des Urteils auf Drittstaaten (wie z.B. die USA) nicht so einfach akzeptieren. Wir sehen jedoch sehr gute Chancen, in einem konkreten Fall auf die Anwendung des Urteils des EuGH vor den zuständigen Gerichten zu drängen.

 

  • Was hat Spanien zu tun um dem Urteil Rechnung zu tragen?

Spanien ist nach diesem Urteil gezwungen, die Steuergesetzgebung in Bezug auf Erbschaften und Schenkungen dahingehend zu ändern als dass die Diskriminierung von Nicht-Residenten in Zukunft wegfällt.

Tatsächlich werden aber auch die Residenten je nach Wohnsitz in den verschiedenen Autonomen Regionen unterschiedlich besteuert. Auf diese Diskriminierung geht das Urteil des EuGH in keinster Weise ein.

Die daraus resultierende Schlussfolgerung ist sicherlich die Harmonisierung der Schenkungs- und Erbschaftssteuer landesweit so dass weder der Wohnsitz in einer bestimmten Autonomen Region noch die Nicht-Residenz in Spanien zu erheblichen steuerlichen Nachteilen führen kann.

Ein entsprechender Hinweis ging bereits von der Expertenkommission, die mit der Ausarbeitung von Vorschlägen für die gross angelegte Steuerreform betraut ist, an die spanische Regierung.  Anzumerken in diesem Zusammenhang ist, dass bereist der Oberste Gerichtshof Spaniens im Mai 2013in einem Urteil festgehalten hat, dass die ungleiche Besteuerung von Erbschaften und Schenkungen in den verschiedenen Autonomen Regionen nicht verfassungskonform ist.

Die spanische Regierung hat also mehr als genug Veranlassung, die Besteuerung von Erbschaften und Schenkungen sowohl für Residenten als auch für Nicht-Residenten komplett neu zu regeln. Jedoch sind dazu Einigungen mit den verschiedenen Autonomen Regionen notwendig, was den Prozess erheblich erschwert und verzögert.

Daher gehen wir davon aus, dass in Kürze das für Nicht- Residenten zuständige staatliche Erbschaftssteuerrecht dahingehend geändert wird, dass auch Nicht- Residenten zukünftig in den Genuss der Steuererleichterungen derjenigen Autonomen Region kommen, von der sie nachweisen können, dass zu dieser eine besondere Bindung besteht.

Kommen wir auf unsere vorher genannten vier Beispiele der Diskriminierung der Nicht-Residenten zurück, so wären folgende Lösungen denkbar:

  • Erbschaftssteuerregelung der Autonomen Region kommt zum Tragen, in der der Erblasser in den letzten 5 Jahren die meiste Zeit gelebt hat und zwar sowohl für den in Spanien residenten Erben als auch für den nicht residenten Erben.
  • Erbschaftssteuerregelung der autonomen Region des Erben kommt zur Anwendung
  • Sind sowohl Erbe als auch Erblasser Nicht-Residenten, so kommt die Erbschafssteuerregelung derjenigen Autonomen Region zum Tragen, in der sich der grösste Teil der Erbmasse befindet.
  • Bei Schenkungen von sich in Spanien befindlichen Gütern zwischen Nicht-Residenten kommt die Erbschafssteuerregelung derjenigen Autonomen Region zum Tragen, in der sich die zu schenkten Güter befinden.

In diesem Sinne bleibt abzuwarten, ob die Finanzbehörde tatsächlich diese Variante zur Umsetzung des Urteils des EuGH wählt, denn hierzu, d.h. zu der Art und Weise der Umsetzung nimmt das Gericht keine Stellung.

  • Hat man die Möglichkeit, zuviel gezahlte Steuern zurückzufordern?

Ein wesentlicher Aspekt des Urteils des EuGH vom 03.09.2014 ist, dass eine rückwirkende Anwendung des Urteils nicht ausgeschlossen wird. Das heisst, dass diejenigen Personen, die als Nicht-Residenten nicht in den Genuss der Steuervergünstigungen der Verscheidenen Autonomen Regionen (Bsp.1% auf den Balearen) gekommen sind und bereits sehr hohe Steuerzahlungen (bis zu 34% bei direkten Verwandten) leisten mussten, diese zurückzufordern können.

So stehen im Wesentlichen zwei Wege offen:

  • Änderung der Steuererklärung und Antrag auf Rückerstattung der zu viel gezahlten Steuern sofern die Verjährungsfrist von 4 Jahren noch nicht abgelaufen ist

oder

  • bei bereits eingetretener Verjährung Klage auf Schadensersatz auf der Basis der Haftung des Staates für gesetzgeberisches Handeln für die Anwendung nicht EU-Rechts konformer nationaler Verordnungen (Frist bis 03.09.2015).

Problematisch dabei ist, wie bereist erwähnt, dass das Urteil sehr viele Fragen offen lässt bezüglich der Frage nach der zukünftigen Besteuerung von Erbschaften unter Beteiligung von Nicht-Residenten und es bleibt abzuwarten, wie die Finanzbehörde auf eventuelle Erstattungsforderungen reagiert und wie die Berechnung des zu erstattenden Betrages erfolgt.

Es ist aber davon auszugehen, dass diejenigen Steuersätze und Verordnungen, die in naher Zukunft beschlossen werden, um die Diskriminierung der Nicht- Residenten abzuschaffen, dann auch für bereits abgewickelte Erbschaften und Schenkungen angewandt werden um mögliche Erstattungen zu ermitteln.

Auf der anderen Seite bleiben folgende Möglichkeiten für die Abwicklung von Erbschaften und Schenkungen die aktuell werden bis der Gesetzgeber oder die Finanzbehörde eine Entscheidung trifft:

  • Antrag auf Verlängerung der Frist zur Zahlung der Steuer um Zeit zu gewinnen (6 Monate)
  • Selbständige Erstellung der Steuererklärung und Zahlung der Steuer nach stattlicher Steuertabelle und spätere Rückforderung des zu viel gezahlten Betrages sobald die neuen Verordnungen erlassen sind.
  • Antrag auf Erstellung eines Steuerbescheides durch die Finanzbehörde (dies dauert erfahrungsgemäss mehrere Jahre) mit Bezug auf das Urteil des EuGH und mit der Forderung nach Berücksichtigung der reduzierten Steuerbeträge der Autonomen Region zu der eine Affinität besteht. Sollte die Behörde dann einen Steuerbescheid erstellen, ohne dies zu berücksichtigen, so müsste dann entsprechend gegen diesen Steuerbescheid Einspruch eingelegt werden.
  • Selbständige Erstellung der Steuererklärung nach den reduzierten Steuersätzen derjenigen Autonomen Region, zu welcher man eine nachweisliche Affinität besitzt. Hier ist jedoch Vorsicht geboten, da ein derartiges Vorgehen in keiner Weise in irgendeiner Steuerverordnung oder in den Formularen der Steuererklärung vorgesehen ist. Das Finanzamt hat demnach keinerlei Veranlassung, diese selbst erstellte Steuererberechnung zu akzeptieren und wird aller Voraussicht nach einen eigenen Steuerbescheid erstellen.

FAZIT:

Schon Benjamin Franklin stellte treffend fest:

„Nichts auf dieser Welt ist sicher ausser dem Tod und den Steuern.“

Der EuGH musste uns erklären, wie beides, die Steuern und der Tod in Spanien zusammenkommen müssen. Leider jedoch lässt auch das Urteil des EuGH viele Fragen offen.

Sicherlich ist es mehr als legitim, dass die betroffenen Steuerzahler innerhalb rationaler Grenzen versuchen, das Urteil in einer für Sie vorteilhaften Art und Weise zu erklären um so in Zukunft weniger Steuern zahlen zu müssen und bereits zu viel bezahlte Steuern zurückfordern zu können. Nichts desto trotz wird sicherlich noch einige Zeit vergehen, bis wir verlässliche Interpretationen des Urteils von Seiten des Gesetzgebers und der Finanzverwaltung vorliegen haben.